Die Recherche-Organisation CORRECTIV hat dokumentiert, wie die rechtsradikale Publikation «Compact» Stimmung macht mit der Verbreitung von Falschinformationen.
In einem Video, das zehntausendfach auf Facebook geteilt wurde, behauptet «Compact», die Bundesregierung habe eine Risikoanalyse von 2012 vertuscht, in der es um eine Coronavirus-Pandemie ging. Die Analyse existiert – sie ist jedoch öffentlich und nicht schwer zu finden.
Die Moderatorin des Videos behauptet, die Bundesregierung habe schon 2012 ein Krisenszenario einer Coronavirus-Pandemie entworfen und den Bundestag darüber informiert – im Archiv des Bundestags finde sich davon jedoch „keine Spur“.
Prompt schreibt ein Facebook-Nutzer: „Wir werden komplett verarscht.“ So funktioniert Demagogie: Mit Falschinformationen Stimmungen schüren und die hochkochenden Emotionen politisch instrumentalisieren.
Die Andeutung, es sei etwas vertuscht worden, ist nämlich falsch, wie CORRECTIV gezeigt hat.
Zwar ist es richtig, dass es einen solchen Bericht gibt. Es ist der „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“, der 2013 dem Bundestag vorgelegt wurde. Dabei handelt es sich aber keineswegs um einen „Geheimplan“ oder eine Vorhersage der aktuellen Pandemie. Der Bericht analysiert eine hypothetische Pandemie mit einem ausgedachten Virus namens „Modi-SARS“.
Die Behauptung der Moderatorin, von dem Bericht gebe es im Archiv des Bundestags „keine Spur“, ist falsch. CORRECTIV zeigt auf, wo die Analyse im Archiv des Bundestags zu finden ist.
«Compact» verweist auf Falschaussage von Alexander Gauland
In dem Beitrag von «Compact» wird zudem eine Rede von Alexander Gauland (AfD) im Bundestag eingeblendet. Darin sagt der Abgeordnete, laut dem Risikoszenario liege die Sterblichkeitsrate (Letalität) von „Modi-SARS“ bei jungen Menschen bei etwa einem Prozent, bei über 65-Jährigen bei 50 Prozent. Das sei die exakte Beschreibung der Folgen des aktuellen Covid-19, behauptet Gauland.
Damit hat er zwar die Zahlen aus der Risikoanalyse korrekt zitiert, aber sein Fazit, diese seien exakt auf SARS-CoV-2 übertragbar, ist falsch. Alexander Gauland hielt die Rede am 25. März 2020 im Bundestag. Zu diesem Zeitpunkt war über die Sterblichkeitsrate von Covid-19 noch weniger bekannt als heute. Fest steht jedoch, dass diese nicht bei 50 Prozent liegt, auch nicht bei älteren Menschen.
Gemäss dem Lagebericht des Robert-Koch-Instituts vom 25. März betrug die Quote der Verstorbenen im Verhältnis zu den bestätigten Infizierten damals 0,5 Prozent.
CORRECTIV bezieht sich auf aktuelle Angaben des RKI. Danach waren 87 Prozent der in Deutschland an Covid-19 Verstorbenen 70 Jahre alt oder älter. Die Letalität lässt sich gemäss RKI jedoch noch nicht zuverlässig berechnen da die tatsächliche Anzahl der Infektionsfälle unbekannt ist.
Quelle:
„Compact“ verbreitet falsche Behauptung über Pandemie-Risikoszenario von 2012
«Compact» ist nur ein Beispiel dafür, wie mit Demagogie Stimmung gemacht und geschürte Emotionen politisch instrumentalisiert werden. So wird eine Verschwörungsmentalität verbreitet, die zersetzend wirkt auf demokratische Strukturen und Prozesse.
Das Compact-Magazin wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft.
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