Daniele Ganser ist ein Stern am Himmel der Verschwörungsgläubigen. Der Publizist und Historiker trat in Basel an der Rudolf-Steiner-Schule auf. Der Vortrag fand während der Unterrichtszeit statt. Anwesend waren 150 Schülerinnen und Schülern der Oberstufe, also neuntes bis zwölftes Schuljahr. Von Eltern kamen dazu offenbar einige empörte Reaktionen.
Das Regionaljournal Basel von SRF zitiert einen Vater mit folgender Aussage:
«Ich finde es wirklich befremdlich, dass die Rudolf-Steiner-Schule einen solchen Anlass während der Unterrichtszeit veranstaltet.»
Kritik: Ganser verbreitet Kreml-Propaganda
Grund für die Aufregung sind Daniele Gansers Aussagen zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Zwar verurteilt er den Angriffskrieg von Russland, behauptet aber auch, dass die USA der tatsächliche Aggressor sei. Ganser ist davon überzeugt, dass die Proteste auf dem Maidan in den Jahren 2013 und 2014 von den USA inszeniert wurden. Er spricht von einem Putsch – organisiert von der CIA. Mit dieser Ansicht steht Daniele Ganser unter Wissenschaftlern allerdings ziemlich allein da.
Ulrich Schmid, Professor für russische Kultur und Gesellschaft an der Universität St. Gallen, spricht von einer völlig unhaltbaren These. Es handle sich dabei um russische Staatspropaganda:
«Das ist eine These, die schon seit längerem vom Kreml verbreitet wird. Es war zwar tatsächlich so, dass viele amerikanisch NGOs Geld gegeben haben, um die zivile Gesellschaft nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder aufzubauen. Aber davon zu sprechen, dass die Ereignisse auf dem Maidan ein von Amerika orchestrierter Putsch gewesen sei, das ist falsch.»
Der ausgewiesene Osteuropa-Experte Frithjof Benjamin Schenk, Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Basel, sagt gegenüber der Zeitung „20Minuten“:
«Ganser fehlt jegliche fachliche Expertise, um über dieses Thema öffentlich zu sprechen.»
Er habe nie zu Osteuropa geforscht, spreche weder Russisch noch Ukrainisch und kenne die Region nur aus den Medien und aus der Sekundärliteratur. Gansers Thesen zu den Hintergründen des Ukraine-Krieges seien «unhaltbar».
Frithjof Benjamin Schenk hält es für «brandgefährlich, einen solchen ‹Wissenschaftler› an eine Schule einzuladen, weil er seinem jungen Publikum – wie alle Verschwörungstheoretiker – scheinbar einfache Antworten auf komplexe Fragen zum Weltgeschehen präsentiert und im Fall des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine immer wieder Positionen der russischen Staatspropaganda verbreitet.»
Warum an der Rudolf-Steiner-Schule?
Die Rudolf-Steiner-Schule sieht den Auftritt Gansers als Gelegenheit für die Schülerschaft, sich auch umstrittene Thesen anzuhören und sich selbst ein Bild zu machen. Gansers Vortrag sei Teil einer Vortragsreihe zum Ukraine-Krieg.
Quellen:
Rudolf-Steiner-Schule – Daniele Ganser tritt an Schule als Ukrainekrieg-Experte auf (SRF)
Daniele Ganser an der Rudolf-Steiner-Schule:
«Brandgefährlich, einen solchen ‹Wissenschaftler› an Schule einzuladen» (20Minuten)
Ausserdem:
☛ Zu ergänzen ist noch, dass Daniele Ganser selber 12 Jahre Schüler an der Rudolf-Steiner-Schule in Basel war. Teile der Anthroposophie sind in unterschiedlichem Ausmass anfällig für Verschwörungstheorien.
Siehe dazu: Anthroposophie & Verschwörungstheorien
☛ Zur Position von Daniele Ganser in Bezug auf den Ukraine-Krieg:
Daniele Ganser zum Ukraine-Krieg
☛ Mehr zu Daniele Ganser:
Beitrag zu Daniele Ganser in der Enzyklopädie
☛ Weitere Beiträge zu verschiedenen Themen:
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☛ Zur Erklärung: In der Schweiz heisst Rudolf-Steiner-Schule, was in Deutschland Waldorfschule genannt wird.
☛ Die Rudolf-Steiner-Schule Basel muss sich schon fragen lassen, weshalb sie einen notorischen Kreml-Propagandisten während der Schulzeit als Referent einlädt. Zumal Daniele Ganser keine wissenschaftliche Expertise zur Ukraine oder zu Russland vorzuweisen hat. Dazu gäbe es fachlich fundierte Osteuropa-Historiker/innen, die sich zum Teil jahrzehntelang mit diesen Ländern auseinandergesetzt haben. Der zitierte Ulrich Schmid zum Beispiel ist ein anerkannter Experte. Akkurate Kenntnisse haben auch Russland-KorrespondentInnen, die damals vor Ort waren. Interessant zu erfahren wäre, wen die Rudolf-Steiner-Schule sonst noch einlädt zu ihrer Vortragsreihe zum Ukraine-Krieg, und wie der Ganser-Vortrag in der Schule thematisiert und eingeordnet wurde.