Über Covid-19, Antisemitismus und weitere Verschwörungsmythen hat sich die Ludwigsburger Kreiszeitung (LKZ) mit Michael Blume unterhalten. Er ist Landesbeauftragter gegen Antisemitismus in Baden-Württemberg.
Schon die Pestausbrüche im Mittelalter seien regelmäßig Anlass zu antijüdischen Propagandalügen gewesen – etwa zu jener der Brunnenvergiftung. Ob er jetzt im Zusammenhang mit dem Coronavirus Ähnliches beobachte, fragt die LKZ.
Ja, es sei eindeutig so, dass auch in dieser Krise antisemitische Verschwörungsmythen wieder hochschnellen: «Ganz stark erleben wir den Anstieg von QAnon-Verschwörungsmythen, das heißt dem Glauben daran, dass wir uns in einer Endschlacht befinden, in der Donald Trump die jüdisch-teuflischen Weltverschwörer zerschlagen wird. Das hat in Deutschland vor allem der Rapper Xavier Naidoo befördert. Und es breitet sich massiv im Internet aus.»
Michael Blume hat bereits vor dem Covid-19-Ausbruch auf das Zusammenfließen der Konstruktion einer sogenannten „Impfverschwörung“ von Ärzten mit klassisch antisemitischen Motiven hingewiesen. Die LKZ fragt, ob Corona diesen Trend noch forciere. Er habe schon im Antisemitismusbericht davor gewarnt, dass sich die verschiedenen Verschwörungsmythen im Netz miteinander verbinden, sagt Blume.
Antisemitismus in alten und neuen Gewändern
Neben den erwähnten Mythen von den Juden als Brunnenvergifter erwähnt er die angeblichen jüdischen Ritualmorde an christlichen Kindern:
«Beide Legenden führten zu den Pestpogromen. Das erleben wir in gewisser Weise wieder. Schon im Januar wurde gesagt, das Coronavirus habe der amerikanisch-jüdische Milliardär George Soros in China als Biowaffe züchten lassen, um die Nichtjuden auszurotten. Das breitet sich seitdem massiv aus.»
Wie man antisemitischen Mythen und Legenden entgegentreten soll, ohne sie zu „zu teilen“, also ohne sie zugleich zu kommunizieren, fragt die LKZ.
Direkte Counterspeech helfe nicht, sagt Michael Blume. Man füttere damit nur die Trolle:
«Wenn Sie versuchen, auf Twitter und auf Facebook mit diesen Leuten zu diskutieren, machen Sie die nur stärker.» Er empfiehlt zu informieren, aufzuklären, gute Inhalte im Netz zu teilen. Wenn man die Möglichkeit habe, solle man mit den Menschen von Angesicht zu Angesicht reden: «Im Internet werden Sie keinen Antisemiten von seinem Verschwörungswahn herunterbekommen. Deswegen auch mein Plädoyer, die klassischen Medien – und übrigens gerade die Lokalmedien – wieder stärker wertzuschätzen, sie wiederzuentdecken».
Quelle:
„Das Internet spielt eine enorme Rolle“ (Ludwigsburger Kreiszeitung)
Siehe auch:
Xavier Naidoo „Bestärkt Menschen in ihrem Hass“
Coronakrise: Warnung vor Antisemitismus in Verschwörungstheorien