Gegenwärtig kursieren widersprüchliche Meldungen dazu, ob es im Zuge der Corona-Krise mehr oder weniger Verschwörungstheorien gibt.
Der Wissenschaftler Michael Butter ist der Ansicht, dass Verschwörungstheorien in der Corona-Krise nicht zugenommen haben. Wenn überhaupt, gebe es einen Rückgang im Glauben an Verschwörungstheorien seit Beginn der Corona-Krise in Deutschland, sagte der Tübinger Professor für amerikanische Literatur und Kulturgeschichte n einer Podiumsdiskussion des Brandenburger Landtags.
Natürlich seien Verschwörungstheorien im Alltag als Thema viel präsenter geworden und hätten auch viel mehr Konfliktpotenzial. Dass jeder sich zu Corona positionieren müsse, emotionalisiere die Leute.
Die Leute, die daran glauben, «haben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in fast allen Fällen schon vorher an Verschwörungstheorien geglaubt, man wusste es nur nicht», sagte der Wissenschaftler.
Corona-Pandemie: Ob mehr oder weniger Verschwörungstheorien zeigt sich auch in der Praxis
Dass Leute, die gegenwärtig in Corona-Verschwörungstheorien herumhängen, schon vorher an Verschwörungstheorien glaubten, ist gut möglich. Soweit lässt sich die Aussage von Michael Butter nachvollziehen. Butter ist ein Experte auf diesem Gebiet.
In der Praxis oder anders gesagt «an der Front» sieht die Situation aber anders aus. Aus dem Tätigkeitsbericht der Bundesstelle für Sektenfragen in Österreich geht zum Beispiel hervor, dass durch Corona deutlich mehr Anfragen zu Verschwörungstheorien kamen. Schon im Mai stellte die Bundesstelle für Sektenfragen dazu einen Sonderbericht vor. Grund dafür war der Boom an Verschwörungstheorien, der seit dem Beginn der Corona-Pandemie beobachtet wurde. Die Verschwörungstheorien würden nicht nur häufiger, sondern auch irrationaler und extremer, schilderte damals die Leiterin der Bundesstelle, Ulrike Schiesser. Bereits im Mai wurde deshalb angekündigt, dieser Entwicklung mit einer Informationskampagne in sozialen Netzwerken gegenzusteuern.
Das Abdriften in das Verschwörungsmilieu ist allerdings seither ungebrochen, wie der Jahresbericht der Bundesstelle für Sektenfragen aufzeigt. Schon ab dem ersten Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres wurden zunehmend Fehlinformationen, Fake News und Verschwörungstheorien hauptsächlich über Social Media verbreitet, was laut Sektenstelle rasch zu Konflikten in Familien, im Freundeskreis sowie dem beruflichen Umfeld geführt hat.
Kanzleramtsministerin Susanne Raab (ÖVP) legte den Bericht beim Ministerrat vor. Für problematisch hält sie vor allem, wenn es Gewaltbereitschaft gibt, wenn rechtsextreme und antisemitische Hassbotschaften verbreitet werden oder wenn es im äußersten Fall zu Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten oder die Polizei kommt. Sie betont deshalb: «Die Gefahr von Verschwörungstheorien darf nicht unterschätzt werden. Es geht nicht um eine harmlose Spinnerei, sondern um eine brandgefährliche Gefahr für die Grundpfeiler unserer Demokratie.»
Quellen:
Experte bei Diskussion im Landtag: Verschwörungstheorien haben in Corona-Zeit nicht zugenommen (Märkische Allgemeine, Redaktionsnetzwerk Deutschland)
BERICHT:
Sektenstelle betont weiterhin Gefahr durch Verschwörungstheorien (Der Standard)
Siehe ausserdem:
Warum sind Verschwörungstheorien eine Gefahr für demokratische Gesellschaften?
Verschwörungstheorien als Katalysatoren von Gewalt