Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen die verschiedenen Aspekte der Corona-Pandemie. Jeden Tag werden Studien in grosser Zahl publiziert. Trotzdem gibt es aus Sicht der Wissenschaft auf viele Fragen noch keine Antwort.
Verschwörungstheoretiker dagegen bilden sich ein, die Antworten schon zu haben. Warum also sind sie so schnell? Sie haben die Antworten schon, bevor auch nur das Problem klar geworden ist. Die Antworten scheinen schon da gewesen zu sein. Ein Erkenntnisprozess ist in der Regel nicht sichtbar.
Zudem diskutieren seriöse Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschungsresultate in der Regel zuerst im Expertenkreis. Sie publizieren die Ergebnisse in Fachpublikationen, damit andere Forschende sie kontrollieren und kritisieren können.
Verschwörungstheoretiker dagegen gehen mit ihren «Antworten» direkt an die Öffentlichkeit. Sie nutzen dazu gern die (a)sozialen Medien wie Facebook, Twitter, YouTube etc. Dort ist das Risiko klein, mit Kritik von Fachleuten konfrontiert zu werden.
Wissenschaftler verkünden nicht unbedingt Wissenschaft
Tritt ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin mit einer eigenen Einzelmeinung an die Öffentlichkeit, handelt es sich dabei nicht automatisch um Wissenschaft. Denn es ist ein grosser Unterschied, ob jemand seine eigene Einzelmeinung kundtut, oder sich in seinen Äusserungen auf den wissenschaftlichen Konsens bezieht. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neigen manchmal zum Rosinenpicken. Das bedeutet: Sie picken sich aus der grossen Fülle an wissenschaftlichen Daten / Studien ausschliesslich jene heraus, die zu ihren Überzeugungen passen. Alles andere blenden sie aus. Wissenschaft sagt aber nur fundiert etwas aus, wenn dabei die konsolidierte Gesamtdatenlage zum Zug kommt. Rosinenpicken kommt häufig vor im Kontext von Verschwörungstheorien.
Dazu kommt noch, dass Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler sich manchmal zu Themen äussern, die gar nicht ihr Fachgebiet sind. In solchen Fällen ist genau zu prüfen, wie relevant die Aussagen sind. Das zeigt sich auch im Bereich der Corona-Pandemie. Drei Leitfiguren der «Querdenker»-Szene sind Mediziner. Aber Mediziner sind nicht unbedingt auch Wissenschaftler. Wolfgang Wodarg ist Lungenarzt, Bodo Schiffmann ist Hals-Nasen-Ohrenarzt mit Spezialisierung auf Schwindel. Beide haben sich nicht wissenschaftlich mit Covid-19 befasst, was voraussetzen würde, dass sie zu diesem Thema geforscht und in Fachjournalen publiziert haben. Sucharit Bhakdi war ein renommierter Wissenschaftler und als Mikrobiologe an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz tätig. Er hat sich dort offenbar überwiegend mit Bakterien befasst, ist aber seit 2012 im Ruhestand. Zu Coronaviren und damit verbundenen epidemiologischen Themen hat er nicht geforscht und publiziert. Seine Vorlesungen sollen bei Studierenden beliebt gewesen sein. Ein Experte auf dem Gebiet der Corona-Pandemie ist er aber nicht.
Die drei Ärzte profitieren in der «Querdenker-Szene» vom Nimbus des Überläufers. Als Repräsentanten der Wissenschaft taugen sie beim Themenfeld Covid-19 nicht. Dazu kommt noch, dass die drei Mediziner nicht wie in der Wissenschaft gefordert möglichst sachlich argumentieren, sondern in ihren Äusserungen hochgradig emotionalisierend auftreten. Sie entfernen sich dadurch sehr weit vom wissenschaftlichen Diskus.