Im Zuge der Auseinandersetzung um Corona-Massnahmen reden Gegner nicht selten von einer «Diktatur», die angeblich herrsche. Zu dieser hochgradig abwegigen Auffassung leisten oft Verschwörungstheorien einen Beitrag, wenn sie beispielsweise vom «Deep State» fabulieren.
Dass das Gerede von der «Diktatur» tragische Konsequenzen im realen Leben haben kann, zeigt gerade ein Tötungsdelikt in Deutschland.
Im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein erschiesst ein 49-jähriger Maskengegner einen Tankstellen-Kassierer, weil dieser ihn auf die Maskenpflicht hingewiesen hat.
Zwar gibt es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen dem Gerede von der «Diktatur» und diesem brutalen Tötungsdelikt. Nicht jeder Maskengegner, der von «Diktatur» redet, wird auch gewalttätig.
Dass das Gerede von der «Diktatur» aber den Boden für Gewalt ebnen kann, bringt Daniel Ryser im Online-Magazin «Republik» auf den Punkt:
«Der Mord an einem Tankstellen-Kassier in Deutschland zeigt auf drastische Weise: Wer mit Begriffen wie «Diktatur» und «Faschismus» aufwiegelt, ebnet den Weg zur Gewalt….
Es ist nicht mehr schönzureden: Jeder, der von einer Diktatur spricht, weil er mit den Corona-Massnahmen nicht einverstanden ist, legt den Boden für solche Taten. Auch in der Schweiz. Denn in einer Diktatur gibt es ein sogenanntes Widerstandsrecht: das Recht, sich zu wehren, wenn der Staat Demokratie und Rechtsstaat zerstört. Der 49-jährige Maskengegner leitete daraus ab, einen Studenten erschiessen zu müssen, der die Regeln durchsetzte und damit in seinen Augen verantwortlich gewesen sei ‘für die Gesamtsituation’.»
Zitat-Quelle:
Sprache der Gewalt (Republik)
Anmerkungen zum Gerede über «Diktatur»:
☛ Wer bei uns in Bezug auf Corona-Massnahmen von «Diktatur» redet, hat entweder keine Ahnung, was eine Diktatur ist, oder er/sie verwendet den Begriff demagogisch zur Delegitimierung demokratischer Institutionen.
☛ Das brutale Tötungsdelikt in Idar-Oberstein ist bei weitem nicht die einzige Gewaltanwendung durch radikalisierte Maskengegner. In Südfrankreich löste im Juli 2020 ein Übergriff auf einen Busfahrer landesweit Entsetzen aus. Er hatte vier Fahrgäste an einer Haltestelle zurückgewiesen, die ohne Schutzmasken einsteigen wollten, und mehrere Passagiere ohne Maske zum Aussteigen aufgefordert. Daraufhin wurde der Mann angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Im Krankenhaus starb er den Hirntod.
In den USA machten mehrere ähnliche Tötungsdelikte wie in Idar-Oberstein Schlagzeilen: Im Bundesstaat Georgia erschoss im Juni ein Maskenverweigerer eine Supermarktkassiererin. Im Bundesstaat Michigan starb im Mai 2020 ein Wachmann in einer Filiale der Discounterkette „Family Dollar“, nachdem eine Kundin ihm in den Kopf geschossen hatte. Vorher hatte der Wachmann ihre Tochter auf das Tragen einer Maske hingewiesen. Gewalttätige Übergriffe auf Busfahrer und Zugführer kommen immer wieder vor.
Quelle: Mord nach Maskenstreit: Wie gefährlich sind Corona-Leugner? (Morgenpost)
☛ Dass das Gerede von der «Diktatur» den Boden für Gewalt ebnen kann, hat oft auch mit zugrunde liegenden Verschwörungstheorien zu tun. Mehr zum Zusammenhang zwischen Verschwörungstheorien und Gewalt hier:
Verschwörungstheorien als Katalysatoren von Gewalt