In den letzten Jahren sind Verschwörungstheorien aufgetaucht, die sich von den bisherigen unterscheiden. Die politischen Ökonomen Muirhead und Rosenblum (2019) beschreiben diesen neuen Typ als «New Conspiracism», im Gegensatz zu den «Classic Conspiracismen». Die neuen Verschwörungstheorien beschreiben die Autoren als speziell theoriearm.
Die neuen Verschwörungstheorien bestehen aus reinen Behauptungen, während in klassischen Verschwörungstheorien der Fokus auf vollständigen Theorien liegt, die verschiedene Ereignisse miteinander verknüpfen und die Wahrheit buchstäblich neu erzählen, um zufälligen Kontexten Sinn zu geben.
Die neuen Verschwörungstheorien versuchen die Richtigkeit ihrer Behauptungen vor allem durch reine Wiederholungen zu bekräftigen. Ihr Ziel ist es, Institutionen die Legitimation zu entziehen und destruktiv auf das politische Geschehen einzuwirken.
Deshalb seien sie gefährlicher als Classic conspiracism.
Während Classic conspiracism hauptsächlich Orientierung und Sicherheit zurückgeben, stiften New conspiracism vor allem Verwirrung.
Classic conspiracism soll Orientierung verschaffen, New conspiracism dagegen Verwirrung
Die Verbreitung dieser neuen Art von Verschwörungstheorien werde dabei von sozialen Medien begünstigt, schreiben Muirhead und Rosenblum. Sie verbinden den New Conspiracism vor allem mit den politischen Entwicklungen in den USA und die politische Zersplitterung der Republikaner und Demokraten, insbesondere unter Ex-Präsident Donald Trump.
Der New Conspiracism folgt laut Muirhead und Rosenblum rein den Interessen der Verbreiter dieser Verschwörungstheorien. Ihm fehle der Ruf nach Veränderungen, die zum Teil dem Classic conspiracism zugrunde lägen.
New Conspiracism wirke darauf hin, anderen Menschen die Möglichkeit zu nehmen, ihre Meinung zu verbreiten. In der entstehenden Verwirrung sei ein echter Diskurs nicht mehr möglich.
Die neuen Verschwörungstheorien zeichneten sich zudem dadurch aus, dass ihr Urheber nicht ausfindig gemacht werden könne, weil häufig nur auf reines Hörensagen verwiesen werde.
Ein Forschungsteam von Allington et al. untersuchte den Zusammenhang zwischen der Benutzung sozialer Medien, dem Glauben an Verschwörungstheorien und der Befolgung gesundheitlicher Präventionsmassnahmen. Die Ergebnisse sprechen für eine positive Korrelation zwischen der Benutzung sozialer Medien und dem Glauben an Verschwörungstheorien und eine negative Korrelation zwischen sozialen Medien und gesundheitlicher Prävention. Die Resultate dieser Studie unterstützen die Annahme, dass die neuen Verschwörungstheorien hauptsächlich durch soziale Medien verbreitet werden.
Quelle:
Verschwörungsmythen verstehen: Hintergründe und Gegenmassnahmen (Institut der Deutschen Wirtschaft)
Originalpublikationen:
Muirhead, Russell. / Rosenblum, Nancy L., 2020, A Lot of People Are Saying: The New Conspiracism and the Assault on Democracy, Princeton
Allington, Daniel / Duffy, Bobby / Wessely, Simon / Dhavan, Nayana / Rubin, James, 2021, Health-protective behaviour, social media usage and conspiracy belief during the COVID-19 pub- lic health emergency – CORRIGENDUM, in: Psychological Medicine, https://doi.org/10.1017/S003329172000224X [10.5.2021]
Siehe auch:
New conspiracism – eine neue Variante des Verschwörungsglaubens
Delegitimieren als Ziel von Verschwörungstheorien (new conspiracism)