Im Samstagsgespräch mit dem «Tages-Anzeiger» kommt die Journalistin und Buchautorin Carolin Emcke auch auf die Problematik von Facebook, Google & Co. zu sprechen, die zunehmend gefährliche Auswirkungen auf die Demokratie entfalten. Dieses Thema hat auch grosse Bedeutung für Verschwörungstheorien, dies sich ausserordentlich leicht und schnell über (a)soziale Medien verbreiten. Hier zwei lesenswerte Zitate aus dem Interview:
«Eine offene Gesellschaft braucht eine Öffentlichkeit, in der sie sich verständigt darüber, wie sie leben möchte. Diese Öffentlichkeit zersplittert aber in den sozialen Medien. Es gibt monopolistische Giganten wie Facebook und Google, die kein Geschäftsinteresse daran haben, Desinformation und Hetze zu verhindern. Wir müssen darüber nachdenken, wie in der Demokratie Wissen und Information – und nicht nur Lüge und Hass – verbreitet werden.»
Was empfiehlt Carolin Emcke?
«Google und Facebook müssten zerschlagen werden. Das Schlimmste sind nicht einmal die Lügen, die auf diesen Plattformen ungestört kursieren. Sondern, dass sie zunehmend die Vorstellung einer gemeinsamen Wirklichkeit, einer Res publica, verunmöglichen. Leider haben klassische Medien vielfach auch ihre eigene Verantwortung geleugnet. Allzu oft wurde da auf Aufklärung verzichtet – hinter dem Feigenblatt einer falsch verstandenen Unparteilichkeit wurden noch die abstrusesten und menschenverachtendsten Positionen hofiert und normalisiert.»
Wer ist Carolin Emcke?
Carolin Emcke studierte Philosophie an der London School of Economics und an der Harvard University. Sie berichtete zwischen 1998 und 2006 als Reporterin des «Spiegels» aus Krisengebieten wie Afghanistan, Haiti oder dem Irak.
Anschliessend verfasste sie mehrere Bücher, zum Beispiel über den gesellschaftlichen Umgang mit Homosexualität («Wie wir begehren») oder über Strategien gegen die politische Polarisierung («Gegen den Hass»). In ihrem neuen Buch beschreibt sie die Corona-Pandemie als persönliche und gesellschaftliche Erfahrung.
Quelle: Carolin Emcke im Samstagsgespräch (Tages-Anzeiger)
Anmerkungen:
Die Zitate von Carolin Emcke sprechen wichtige Punkte an.
☛ (A)soziale Medien wie Facebook und YouTube dominieren zunehmend den Raum für öffentliche Diskussion und Meinungsbildung. Sie gestalten diesen Raum nicht so, wie es für gute Debatten nötig wäre, sondern entsprechend ihren kommerziellen Interessen. Facebook, YouTube & Co. halten geheim, wie ihre Algorithmen funktionieren. Klar ist jedoch, dass sie so konstruiert sind, dass sie die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf der Plattform halten. Das ermöglicht es, ihnen möglichst viel Werbung zu verkaufen.
Wer nach X sucht, dem wird zu diesem Zweck X in immer extremeren Varianten vorgeschlagen. Das ist der beste Weg für die Plattformen, um Geschäfte zu machen, und der schlechteste Weg für demokratische Gesellschaften. Die Plattformen tragen dadurch zur Radikalisierung bei. Sie verdienten an der Verbreitung von Extremismus und fördern die Polarisierung. Von sich aus werden die Plattformen ihr lukratives Geschäftsmodell nicht aufgeben. Deshalb braucht es klare Regulierungen, die demokratisch legitimiert sind. Politik und Zivilgesellschaft müssen dieses Thema mit grossem Nachdruck in Angriff nehmen.
Guten Einführungen in dieses Thema bieten folgende Bücher:
„Übermacht im Netz“. Warum wir für ein gerechtes Internet kämpfen müssen von Ingrid Brodnig
☛ Wenn Carolin Emcke sagt, dass «hinter dem Feigenblatt einer falsch verstandenen Unparteilichkeit….noch die abstrusesten und menschenverachtendsten Positionen hofiert und normalisiert» werden, deutet auf die False-Balance-Problematik hin. Siehe dazu: Falsche Gleichgewichtung / Falsche Ausgewogenheit / englisch False Balance