Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind auch in Bulgarien viele der Anti-Vaxxer zu überzeugten Anhängern von Präsident Wladimir Putin und Russland geworden.
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine Ende Februar 2022 hat die Impfskeptiker-Bewegung (Anti-Vaxxer) in Bulgarien ihren inhaltlichen Fokus verschoben.
Anstatt sich wie bisher auf COVID-19-Impfstoffe und damit zusammenhängende Verschwörungstheorien zu fokussieren, sind sie zu überzeugten Anhängern von Präsident Wladimir Putin geworden und verbreiten Anti-EU-Stimmungen.
Schon vor dem Ausbruch Ukraine-Krieges war der Glaube an Corona-bezogene Verschwörungstheorien und eine allgemeine Impfskepsis in Bulgarien sehr weit verbreitet. Gemäss den offiziellen Statistiken des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten ist Bulgarien mit einer Impfquote von weniger als 30 Prozent europaweit das Schlusslicht bei der Durchimpfungsrate der Bevölkerung.
Während die Impfgegner in der Hochphase der Corona-Pandemie einige Erfolge für sich verbuchen konnten, erweist sich ihre Desinformationskampagne in Bezug auf den Ukraine-Krieg als mühseliger. Weil Russland in der Ukraine bisher keine nennenswerten Fortschritte macht, wird es immer schwieriger, die Anhänger zu überzeugen.
Diese Einschätzung stammt von Georgi Auad, dem Head of Operations Social Intelligence bei Publicis Bulgaria. Er schilderte seine Erkenntnisse in einem Interview für EURACTIV.
Georgi Auad ist in Bulgarien einer der führenden Experten und Datenanalysten, die sich auf soziale Mediennetzwerke spezialisiert haben.
Ihm zufolge wird der Ukraine-Krieg genutzt, um das Vertrauen der Bulgaren in die EU zu erschüttern. Trotz Moskaus Bemühungen waren diese Desinformationskampagnen jedoch nicht so erfolgreich wie jene rund um COVID-19.
„Trolle haben es schwer, mit den häufig wechselnden Positionen der russischen Behörden Schritt zu halten, die jeden Tag mit einer neuen Ausrede für den Angriff auf die Ukraine aufwarten. Das Narrativ ist sehr vage. Am Anfang war es eine spezielle Operation zur Entnazifizierung der Ukraine“, erläutert Georgi Auad.
Trolle lassen sich allerdings laut dem Experten recht einfach erkennen: „Scrollen Sie durch den Verlauf der Kommentare, um zu sehen, wie schnell sie von der Impfgegnerschaft zum Putinismus übergehen. Das ist ein sicheres Zeichen“, sagte Auad.
Desolate Medienkompetenz in Bulgarien
Im Medienkompetenzindex 2021 liegt Bulgarien auf dem letzten Platz in der Europäischen Union. Das ist schon seit vier Jahren so. Damit hat sich seit der ersten Publikation des Index 2018 wenig geändert.
Das Ranking wird jedes Jahr von der European Policy Initiative (EuPI) des Open Society Institute erstellt Es wurde in Sofia gegründet.
Georgi Auad erklärt, dass die Mehrheit der Putin-Anhänger auf Facebook zu finden seien.
Dagegen herrsche auf dem bulgarischen Twitter ein ganz anderes Bild. Der Fachmann kritisierte die Behörden in Bulgarien für das Fehlen klarer Maßnahmen gegen Fake News in sozialen Netzwerken sowie für das Fehlen einer kohärenten Kommunikationskampagne.
Auad kritisiert, dass konkret zu wenig gegen aggressive politische Äußerungen zur Unterstützung des Krieges getan werde.
„Es an der Zeit, der Öffentlichkeit mitzuteilen und zu erklären, welche Maßnahmen von den bulgarischen Institutionen ergriffen werden und warum“, erklärt der Fachmann.
Seit mindestens einem Jahrzehnt wird in Bulgarien dieser Informationskrieg sehr aktiv geführt. Dabei spielt Facebook eine zentrale Rolle. In den letzten zwei Jahren fokussierte die antieuropäische Kampagne weitgehend auf die Corona-Pandemie.
Die Invasion Russlands in die Ukraine hat eine inhaltliche Verschiebung der Desinformation zur Folge gehabt. Ein Großteil der pro-russischen Propaganda in Bulgarien wird von Facebook-Nutzern verbreitet, die auch Nachrichten der pro-russischen Vazrazhdane-Partei teilen.
Quelle:
Bulgarische Anti-Vaxx-Aktivisten stellen sich hinter Putin (euractiv)
Anmerkungen:
☛ Russische Desinformationskampagnen haben natürlich nicht nur in Bulgarien, sondern auch in anderen Ländern die Skepsis gegen Corona-Massnahmen und Corona-Impfungen gefördert und schwenken jetzt auf prorussische Positionen zum Ukraine-Krieg um. Verschwörungstheorien spielen dabei eine zentrale Rolle. Das Ziel bleibt gleich: Verstärkung der Polarisierung, auf bei von toxischem Misstrauen gegen Demokratie, Destabilisierung demokratischer Gesellschaften. Gegen diesen Informationskrieg brauchen die europäischen Staaten endlich eine klare Gegenstrategie. Ein erster, aber nicht annähernd ausreichender Schritt ist die “EU vsDisinformation” Kampagne von der East StratCom Task Force im Europäischen Auswärtigen Dienst. Sie wurde gegründet, nachdem die EU Staats- und Regierungschefs die Notwendigkeit betonten, Russlands laufenden Desinformationskampagnen entgegenzuwirken. Sie zielt darauf ab, kremlfreundliche Desinformation besser vorherzusagen, ihr entgegenzuwirken und auf sie zu antworten. Siehe dazu: https://euvsdisinfo.eu/de/.
☛ Weitere Beiträge über das Umschwenken von Impfskepsis in Putin-Verehrung und über russische Propaganda zur Corona-Pandemie und zum Ukraine-Krieg:
„Querdenker-Szene“ im Ukraine-Krieg: Weitgehend Putin-gläubig
Corona-Skeptiker verbreiten fleissig Kreml-Propaganda
Ukraine-Krieg: Putin-Verehrung bei Verschwörungsgläubigen
Daniele Ganser zum Ukraine-Krieg
Ukraine-Krieg: «Querdenker» fahren auf russische Propaganda ab