Kardinal Müller (73), der frühere Bischof von Regensburg und Ex-Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, hat in einem Interview davon gesprochen, dass hinter Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie eine finanzkräftige Elite stecke. Darüber hinaus bediente er eine ganze Reihe von verschwörungstheoretischen Klischees rund um Lieblingsfeinbilder der Verschwörungstheoretiker wie Bill Gates, George Soros oder Klaus Schwab (Great-Reset-Verschwörungstheorie). Die Äusserungen des «Würdenträgers» sind auf breite Kritik gestossen. Mehr zu Müllers Äusserungen hier:
Kardinal Müller verbreitet absurde Corona-Verschwörungstheorien
Kritik aus der Politik
In der Politik haben die Äusserungen Müllers Entsetzen ausgelöst.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat mit Unverständnis reagiert. „Ich verstehe es nicht“, sagte der CSU-Chef nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts in München.
Der Schutz der Menschen müsse in der Corona-Pandemie in den Vordergrund gerückt werden. Gleichzeitig erlebe man jedoch auch „einen Rückfall in eine Abkehr von Wissenschaft mit seltsamsten Theorien“. Nachdem sich – „soweit ich das gelesen habe“ – auch Papst Franziskus gegen Corona habe impfen lassen, sollten auch seine Bischöfe und Kardinäle dem Beispiel folgen, unterstrich Söder.
Entsetzte Reaktionen kamen auch aus Ostbayern, der ehemaligen Wirkstätte von Kardinal Müller. In einem offenen Brief an Müller und dessen Nachfolger schrieben die vier Grünen-Bundestagsabgeordneten Erhard Grundl, Stefan Schmidt, Marlene Schönberger und Tina Winklmann, die Äusserungen seien «schockierend». Weiter heisst es darin:
„Gerade bei einem ranghohen und prominenten Diener der katholischen Kirche hätten wir es nicht für möglich gehalten, dass dermaßen krude und demokratiefeindliche Verschwörungstheorien ganz offen und ungehemmt zu Tage treten.“
Darüber hinaus bediene sich Müller „brandgefährlicher antisemitischer Chiffren“. Weiter schreiben die Abgeordneten in ihrer Kritik: „Sie vergessen oder schlimmer ignorieren dabei, dass es Menschen gibt, die den Aussagen eines Kardinals eine hohe Glaubwürdigkeit schenken. Der damit einhergehenden Verantwortung werden Sie leider nicht gerecht. Das ist schwer erträglich.“
Antisemitismus-Beauftragter sieht besondere Verantwortung in Pandemie bei Kirchen
Der Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, sieht den Kirchen während der Pandemie eine besondere Verantwortung. Mit Besonnenheit könnten sie vor allem jenen Menschen helfen, die mit Unsicherheit offenbar nicht zurechtkämen und sich an „simple, irrationale Erklärungsmodelle“ klammerten, erklärte Klein dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Kardinal Müller habe „das genaue Gegenteil“ getan, „indem er absurde, antisemitische Verschwörungsmythen verbreitet, die schädlich für unsere Gesellschaft sind und bestehende Probleme nur verstärken“. Der Antisemitismus-Beauftragte verlangte eine „klare, unmissverständliche Distanzierung“ durch die katholische Kirche. Gerade auch der Vatikan sei hier gefordert.
Distanzierung der Bischofkonferenz
Via Twitter markierte die Deutsche Bischofskonferenz Distanz zu Kardinal Müller. Sprecher Matthias Kopp erklärte: „Man wundert sich sehr über diese Theorien. Kardinal Müller spricht hier – davon gehe ich aus – als Privatperson.“ Der Vatikan hat auf eine dpa-Anfrage zunächst nicht reagiert.
Kritik der Konferenz Europäischer Rabbiner (CER)
Die Konferenz Europäischer Rabbiner (CER) hat scharfe Kritik geäussert an Kardinal Müller und dessen Verschwörungsmythen über eine angeblich geplante Gleichschaltung der Menschen nach der Coronavirus-Pandemie. Sie verlangt eine Distanzierung der römisch-katholischen Kirche.
Der Präsident der CER, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, forderte den Vatikan und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) nachddrücklich auf, „sich von solchen kruden Aussagen und Positionen klar distanzieren“.
„Religionsvertreter sollten gerade in dieser Zeitphase, in der mit Verschwörungsmythen, falschen Narrativen und Hass versucht wird, unsere Gesellschaft zu spalten und sie gegen Demokratie und Pluralismus aufzuhetzen, mäßigend wirken und entschieden für den gesellschaftlichen Zusammenhalt eintreten und sich gegen Verschwörungen, Hass und Verleumdungen stellen“, erklärte Goldschmidt in einer Mitteilung.
„Die Aussagen von Kardinal Müller sind eine große Enttäuschung für sehr viele Menschen, die in dieser schwierigen Zeit der Pandemie nach Orientierung suchen und Zuversicht brauchen“, führte Pinchas Goldschmidt weiter aus.
Scharfe Kritik kam auch vom bayerischen Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU: „Kardinal Müller hat antijüdische Klischees bedient und macht antisemitische Gedanken bei manchen Gläubigen hoffähig.“ Er forderte Kardinal Müller auf, sich von seinen Äußerungen zu distanzieren und sich dafür zu entschuldigen.
Quellen:
Entsetzen über Verschwörungstheorien von Kardinal Müller (Bayerischer Rundfunk)
Rabbiner kritisieren Müllers Verschwörungsmythen (religion.orf)
Ausserdem:
Verschwörungsgläubige gibt es nicht nur bei Exponenten der Katholischen Kirche, sondern auch bei den Evangelikalen. Siehe dazu:
Der Evangelikalismus neigt zu Verschwörungstheorien – aber nicht immer und überall….
Bemerkenswert ist auch, dass Verschwörungstheorien oft religiöse Elemente enthalten:
Religiöse Elemente in Verschwörungstheorien – woran sind sie erkennbar?