Brasiliens abgewählter Präsident Jair Bolsonaro bewirtschaftet schon seit langem Verschwörungstheorien und Falschmeldungen. Insbesondere zweifelte er schon im Vorfeld der Präsidentschaftswahl die Zählung der Stimmen an und schwadronierte von Wahlbetrug. Seit der Wahl belagern nun Tausende Brasilianer die Militäreinrichtungen des Landes und verlangen von der Armee einen Putsch. Bolsonaro und auch Teile der Armee machen ihnen Mut.
Viele der Anhängerinnen und Anhänger des abgewählten Präsidenten sind davon überzeugt, dass die Wahl gefälscht war. Das ist eine direkte Folge der Verschwörungstheorie von Wahlbetrug, die von Bolsonaro gestreut wird. Der Ex-Präsident fährt damit die gleiche Strategie wie Donald Trump.
Wie tief die Desinformation sitzt, zeigt sich in Gesprächen mit Menschen, die vor den Militäreinrichtungen campieren und den Putsch fordern.
Die «FAZ» hat beispielsweise mit der 41jährigen Fitnesstrainerin Mara gesprochen. Sie ist seit dem ersten Tag nach der Wahl vor dem Militärkommando in São Paulo und hat hier mit einer Freundin ihr Zelt aufgebaut.
„Der Wahlbetrug war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sagt Mara. Doch es habe bereits viel früher mit der Verfolgung durch das Verfassungsgericht und der Zensur angefangen. Mara fordert, dass die Ordnung wiederhergestellt wird und die Verantwortlichen für diese „Diktatur“ der Justiz bestraft werden. „Nur die Armee kann das lösen“, erklärt sie – und ruft damit zum Putsch auf.
Mara ist überzeugt davon, dass die Proteste wachsen und immer wieder neue „Patrioten“ hinzu kommen. Sie sagt: „Wir müssen jetzt kämpfen, solange es noch nicht zu spät ist.“
Putsch-Fantasien
Dass die Forderung nach einer Militärintervention, also nach einem Staatsstreich, gegen das Gesetz verstößt, lässt die Fitnesstrainerin nicht gelten. „Wir haben das Recht, darum zu bitten. Es gibt keinen Staatsstreich, wenn er vom Volk ausgeht“, behauptet sie. Wenn es einen Staatsstreich gegeben habe, dann sei das die Präsidentschaftswahl gewesen. Ihre Forderung hält sie deshalb für legitim. Die Armee sei ihre einzige Hoffnung, beteuert sie.
Quelle:
BOLSONAROS UNTERSTÜTZER: Rummelplatz der Umstürzler (FAZ, Abo)
Anmerkung:
☛ Es gibt bekanntlich keinerlei Belege für irgendwie relevante Wahlfälschungen bei dieser Wahl in Brasilien. Äusserungen wie diejenigen von Mara zeigen aber eindrücklich, wie tiefgreifend die Desinformation sein kann, die durch Verschwörungstheorien vom Wahlbetrug ausgelöst werden können. Die daraus entstehende Delegitimierung des demokratischen Systems ist kaum mehr wieder gut zu machen. Dass vorher ganz normale Bürgerinnen und Bürger nach solchen Propagandakampagnen nach einem Putsch schreien, zeigt eine rasante Radikalisierung. Politiker, die eine Wahl nur dann als korrekt anerkennen, wenn sie gewonnen haben, sind eine Gefahr für die Demokratie.
„Eine faire Wahl als gefälscht zu bezeichnen, ist so kriminell wie eine gefälschte Wahl fair zu nennen“ (Schach-Legende Gary Kasparow)
Siehe dazu:
Wahlbetrug / Wahlmanipulation als Unterstellung und Verschwörungstheorie
☛ Die Forderung nach einem Putsch ist in Brasilien auch deshalb so abwegig, weil das Land von 1964 – 1985 von einer Militärdiktatur beherrscht wurde. Vor allem die Indios litten in dieser Zeit unter Menschenrechtsverletzungen. Die Vorstellung, nach einem Putsch seien die Probleme des Landes gelöst, ist geschichtsvergessen und realitätsfern.