Matthias Neff, Beauftragter für Religions-, Weltanschauungs- und Sektenfragen im Bistum Trier, hat dezidiert vor Verschwörungstheorien gewarnt.
Besonders schwer erträglich sei es für gläubige Christen, wenn Verschwörungstheorien, die mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar sind, aus den eigenen Reihen kommen.
Als Beispiel nennt Neff nennt den antijüdischen Anderl-Kult, dem eine Legende aus dem späten Mittelalter zugrunde liegt. Der angebliche Ritualmord an dem Nordtiroler Knaben Anderl von Rinn durch Juden sei eine Verschwörungserzählung aus dem katholischen Milieu. Erst im vergangenen Jahrhundert wurde die Verehrung des Kindes vom Vatikan verboten, doch noch bis ins Jahr 1994 fanden offizielle jährliche Wallfahrten zu der Pfarrkirche in Rinn statt, in der die Gebeine des Knaben bis 1985 beigesetzt waren.
Antijüdische Verschwörungstheorien mit christlichem Hintergrund
Die sogenannte „Judenstein-Sage“ um den Tod des Knaben findet sich auch in dem Band „Deutsche Sagen“ der Gebrüder Grimm. Juden, die nach dem Blut von Christenkindern lechzen, das ist ein uraltes antijüdisches Motiv, das bis heute nicht verschwunden ist. Das zeigt der QAnon-Mythos, wonach liberale Eliten in unterirdischen Höhlen und Bunkern Kinder gefangen halten und foltern, um aus ihrem Blut das angebliche Verjüngungsmittel Adrenochrom abzuzapfen.
Vor diesem Hintergrund findet Neff es «natürlich schwer erträglich», wenn – wie im Mai vergangenen Jahres geschehen – hochrangige Kleriker wie der ehemalige Leiter der römischen Glaubenskongregation und emeritierte Bischof von Regensburg Gerhard Kardinal Müller abwegige Andeutungen machten. Der Kardinal und weitere namhafte Geistliche liessen damals verlauten, die Corona-Pandemie werde genutzt, um eine neue Weltregierung zu schaffen. Matthias Neff stellt dazu fest: „Beruhigend fand ich, dass das bei vielen im kirchlichen Bereich auf Empörung und Ablehnung gestoßen ist. Es ist wichtig, alles zu tun, damit diese Vorstellungen uns nicht auseinandertreiben und wir uns nicht gegenseitig aufgeben.“
Quelle:
Hanebüchen! Verschwörungstheorien auf dem Vormarsch (Bistum Trier)
Anmerkungen:
Die antijüdischen Ritualmordlegenden waren und sind ein wichtiger Bestandteil einflussreicher Verschwörungstheorien. Dass sie heute in der QAnon-Verschwörungsideologie eine Fortsetzung finden, muss sehr zu denken geben. Vor allem auch, weil antisemitische Verschwörungstheorien gerade auch in der Coronakrise an Verbreitung gewinnen. Siehe dazu:
Coronakrise: Warnung vor Antisemitismus in Verschwörungstheorien
Antisemitische Verschwörungstheorien im Aufschwung
Judenstern – Missbrauch durch Impfgegner
Verschwörungsmythen sind auch im evangelikalen Milieu ein Thema:
Der Evangelikalismus neigt zu Verschwörungstheorien – aber nicht immer und überall….
Evangelikale: Pietisten in Württemberg distanzieren sich von Verschwörungstheorien und „Querdenkern“
Ausserdem: