Die «Wochenzeitung» (WOZ) berichtet in einem ausführlichen Artikel, dass der Kanton St. Gallen (Schweiz) ein Schulprojekt bewilligt hat, das auf dem Konzept der Schetinin-Schule basieren soll. Die Eröffnung der Privatschule nach den Lehren der rechts-esoterischen Anastasia-Bewegung ist in Uznach vorgesehen.
Anastasia-Bewegung als Ideologischer Hintergrund der Schetinin-Schule
Das Konzept der Schetinin-Schule gründet auf den Schriften der völkisch-esoterischen Anastasia-Siedlungsbewegung. Dargelegt wurde diese Lehre in einer Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre. Er beschreibt in hoch naturromantischer Form eine Frau mit göttlichen Fähigkeiten, Anastasia, die alleine und in völligem Einklang mit ihrer Umgebung in der Taiga leben soll. Die Anastasia-Geschichte zieht auch Ökobewegte in ihren Bann. Die Anastasia-Ideologie trägt aber eindeutig braune und weltverschwörerische Züge. Die WOZ» schreibt dazu:
«Ein Kernelement ist die Beschwörung des historisch nicht verbürgten Volkes der «slawisch-arischen Wedrussen». Megres esoterischer Welttheorie nach stammen die russischen, europäischen und amerikanischen Völker von den «Wedrussen» ab. Ihr Blut will Megre reinhalten. Die Jüd:innen macht er in seinem Werk für Krankheiten und Kriege verantwortlich.»
Die Anastasia-Bewegung hat vor allem in Deutschland Verbindungen in die Lager der Neonazis und Reichsbürger. Sie breitet sich über Familienlandsitze aus – Aussteigerkommunen, in denen das Leben auf der eigenen Scholle propagiert und praktiziert wird. In Russland soll es zirka 300 Anastasia-Siedlungen geben, in Deutschland etwa 20, in Österreich geht man von einer Handvoll aus, in der Schweiz versucht ein Verein, Gründungen voranzutreiben.
Schulgründungen sind ein wichtiges Ziel der Anastasia-Bewegung
Die russische Schetinin-Schule, nach ihrem Gründer Michail Petrowitsch Schetinin benannt,
dient dabei als Modell. Sie wird von Wladimir Megre im dritten Band seiner Anastasia-Buchreihe als die ideale Ausbildungsstätte für den Anastasia-Nachwuchs beschrieben.
Fachleute für Sektenfragen beschreiben die Methode der Schetinin-Schule als eine Mischung aus nationalistisch-militärischem Drill – die Kinder lernen etwa Volkstanz und Schwertkampf – und kruden esoterischen Lernversprechen. Als Kern der pädagogischen Lehre dient die Idee, dass sich Kinder, das Wissen ihrer Urahnen anzapfend, gegenseitig unterrichten. Die Wissensvermittlung soll dank «berührender Kräfte zwischen den lehrenden und lernenden Schülern» stattfinden. Grandiose Lernerfolge im Rekordtempo werden versprochen.
Die ursprüngliche Schetinin-Schule in Russland musste 2019 ihre Tore wegen zahlreicher Mängel schliessen.
Dass der Bewegung nun ausgerechnet in der Schweiz der Coup gelungen ist, eine offiziell bewilligte Schule eröffnen zu können, sei kein Zufall, schreibt die «WOZ»:
«In Deutschland, wo viel strengere Schulgesetze gelten, konnte die Bewegung ihre Pädagogik schon immer nur im Untergrund verbreiten. In Österreich wiederum gab es bis vor kurzem zahlreiche Anastasia-Homeschoolingstrukturen. Sie wurden jedoch nach Gefährdungsmeldungen praktisch komplett aufgelöst.»
Warum bekommt eine Schetinin-Schule im Kanton St. Gallen eine Bewilligung?
Auf Twitter schreibt der Kanton St. Gallen, dass die Bewilligung provisorisch erteilt wurde und bis Ende Schuljahr 2023/24 befristet ist. Gegenüber der «WOZ» erklärte der Leiter der zuständigen Behörde, aus dem Konzept der Initianten habe sich keine Verbindung zur Anastasia-Bewegung ableiten lassen. Man habe ausserdem nach einem religiös-ideologischen Hintergrund gefragt, «das wurde verneint».
Quelle:
Kanton St. Gallen:
Amtlich bewilligte Sektenschule (Wochenzeitung, WOZ)
Ausserdem:
Die Anastasia-Bewegung ist von Verschwörungstheorien durchdrungen und enthält antisemitische, frauenfeindliche und antidemokratische Elemente. Siehe dazu:
Beitrag zur Anastasia-Bewegung in der Enzyklopädie.
Es ist zu hoffen, dass die zuständige Behörde in St. Gallen auf ihren Entscheid zurückkommt. Die Anastasie-Ideologie ist vollkommen ungeeignet als Basis für eine Schule in einer demokratischen Gesellschaft.