Anfang Oktober verübten unbekannte Täterinnen oder Täter einen Anschlag auf mindestens 70 Kunstschätze im Pergamonmuseum in Berlin.
In diesem Zusammenhang wird zunehmend Kritik laut an Attila Hildmann. Der antisemitische Verschwörungsideologe behauptet seit Monaten, im Pergamonmuseum liege der Thron von Satan, Menschen würden dort geopfert und Kinder geschändet. Hat Attila Hildmann seine Fans zu dem Anschlag animiert?
Nach einer pandemiebedingten Schließung war das Pergamonmuseum erst wenige Stunden wieder geöffnet, als ein Angriff auf Kunstschätze geschah. Mindestens 70 ägyptische Statuen, griechische Götterbildnisse, Sarkophage und europäische Gemälde des späten 19. Jahrhunderts sind mit einer öligen Flüssigkeit bespritzt worden. Die Flüssigkeit hinterliess sichtbare, zum Teil große dunkle Flecken.
Nun steht der Verdacht im Raum, dass Attila Hildmann etwas damit zu tun haben könnte.
Belege dafür gibt es zwar bisher nicht. Doch liegt es nahe, dass Hildmanns Hetze seine Fans dazu animiert hat, künstlerisch und historisch wertvolle Objekte sinnlos zu zerstören. Denn warum sollte sonst ein solches Attentat genau im Pergamonmuseum stattfinden, das in Visier von Hildmanns Hetze ist.
Hildmann diffamiert das Pergamonmuseum
Seit August behauptete Hildmann mehrmals auf seinem Telegram-Kanal, dass das Pergamonmuseum den „Thron Satans“ beherberge. Das Museum bezeichnete er als das Zentrum der „globalen Satanisten-Szene und Corona-Verbrecher“.
Und wie es sich für Verschwörungsgläubige gehört, gibt es für Hildmann keine Zufälle und alles ist mit allem verbunden: So ist es zum Beispiel für Hildmann kein Zufall, dass Angela Merkel in der Nähe des Museums wohnt. Auch dass das Pergamonmuseum im Frühling und im Sommer aufgrund der Covid-19-Pandemie vorübergehend geschlossen war, ist ihm äußerst suspekt. Ein Post, in dem er behauptet, im Pergamon würden nachts Menschen geopfert und Kinder geschändet, hat der Vegankoch inzwischen gelöscht. Was mit solchen „kinderschändenden, sadistischen, verschwörerischen Satanisten“ laut Hildmann geschehen soll, wird in einer ebenfalls mittlerweile gelöschten Umfrage klar. Die erste Option lautert: „Sie im Namen des Allmächtigen vernichten!“
Aufstachelung zur Gewalt
Betroffen von dem Anschlag sind Kunstwerke und Antiken in den Beständen des Vorderasiatischen Museums, des Museums für Islamische Kunst, der Antikensammlung, im Neuen Museum und in der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel, die seit 1999 zum Unesco-Weltkulturerbe zählt.
Am Tag des Anschlags fanden in Berlin-Mitte verschiedene verschwörungsideologische und pandemieleugnende Demonstrationen statt. Attila Hildmann ist seit März mit über 100.000 Telegram-Followern zu einem der Wortführer dieser Bewegung geworden.
Seit Bekanntwerden des Angriffs postet er im regelmäßigen Takt Links zu Zeitungsartikeln darüber auf seinem Telegram-Kanal. Er zitiert daraus Textpassagen, in denen es um den satanischen Verschwörungsmythos oder seine mögliche Verbindung zur Tat geht.
Hildmanns Obsession mit dem Pergamonmuseum hat eine Vorgeschichte: Schon im August teilte er einen Aufruf, das Pergamonmuseum zu stürmen. Im Juni hatte er Auftritte auf den Stufen des Alten Museums.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die die Museuminsel verwaltet, hat sich damals von Hildmann mit einem großen Transparent am Alten Museum distanziert. Es enthielt eine klare Botschaft für Weltoffenheit und gegen Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus. Damit kamen Berliner Museen in Hildmanns Visier und wurden zum Ziel seiner Hetze.
Ermittlung wegen Volksverhetzung
Die Berliner Versammlungsbehörde untersagte Hildmanns Demonstrationen wegen einer erheblichen Wahrscheinlichkeit von Volksverhetzung, Bedrohung und Beleidigung. Spätestens ab Juli wird in Berlin und Brandenburg wegen Volksverhetzung gegen Attila Hildmann ermittelt.
Zum Angriff im Pergamonmuseum ermittelt das Berliner LKA gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung. Auch wenn die Täterinnen oder Täter bisher nicht bekannt sind, ist Hildmanns Reaktion auf den Vorfall vielsagend. In seinen beinahe im Minutentakt geposteten Hasstiraden auf Telegram fand sich weder eine Distanzierung, noch Kritik an dem Angriff.
Hildmanns Behauptung, Satan wohne im Pergamonaltar, ist allerdings nicht neu. Schon im Jahr 2006 zog die amerikanische Forscherin Adela Yarbo Collins in der in evangelikalen Kreisen renommierten Zeitschrift „Biblical Archaeology Review“ diesen eigenartigen Schluss.
Sie bezieht sich in ihrem Beitrag auf eine Passage aus der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament. In einem Schreiben Christi an den Vorsteher der Gemeinde Pergamon steht: „Ich weiß, was du tust und wo du wohnst, da des Satans Stuhl ist.“ Teile des Pergamonaltars im Pergamonmuseum wurden ab 1879 vom heutigen Bergama in der Türkei, damals im osmanischen Reich, nach Berlin transportiert. Dort wurde der Altar wieder aufgebaut. Dass also der heutige Pergamonaltar in Berlin nur eine Rekonstruktion ist, scheint für Verschwörungsfans egal zu sein. Auch dort sehen sie den Teufel offensichtlich zu Hause.
Quelle:
Angriff auf Kunst im Pergamonmuseum: Was hatte Attila Hildmann damit zu tun?, Artikel von Nicholas Potter auf Belltower.News.
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Anmerkungen:
☛ Dieses Beispiel zeigt überaus deutlich, wie Verschwörungsgläubige Zusammenhänge konstruieren, die nichts mit der Realität zu tun haben. Es ist absurd, vom biblischen Pergamon auf den Pergamonaltar und damit auf den Sitz Satans zu schliessen.
☛ Und das Beispiel zeigt auch, dass der Glaube an den Satan, den Teufel, auch heute noch herumgeistert. Wie einfach, wenn man alles Böse auf eine erfundene Figur schieben kann. Die Geschichte zeigt leider, dass dieser Teufelsglaube und die damit verbundene Spaltung in Gut und Böse sehr oft die Grundlage für Gewalt legt.
☛ Siehe auch:
Attila Hildmann: Verschwörungstheorie im Original