Die Meldestellen zu Judenfeindlichkeit legen einen ersten Bericht vor. Antisemitismus verbreitet sich demnach nicht nur im Internet, sondern beispielsweise auch bei Anti-Corona-Demonstrationen.
Dem Bericht gemäss nimmt Antisemitismus oftmals Bezug auf die Schoah. Zudem würden Juden oft als nicht dazugehörend dargestellt. In etwa der Hälfte der Fälle konnten die Meldestellen den politischen Hintergrund der antisemitischen Vorfälle nicht bestimmen. Für die Experten ist das ein Hinweis darauf, dass Antisemitismus auch in nicht ausdrücklich politischen Milieus weitverbreitet ist und einzelne Stereotype in unterschiedlichen Kontexten auftauchen.
Die Meldestelle in Bayern berichtete, bei Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen würden vermehrt Schilder gezeigt mit der Aufschrift: „Ausgangsbeschränkungen sind sozialer Holocaust“ oder Menschen würden einen gelben Stern ähnlich dem Judenstern aus der Nazizeit tragen mit der Aufschrift „ungeimpft“. Ihre Kollegen aus den anderen drei Bundesländern führten ähnliche Erfahrungen an.
Antisemitismus auf Anti-Corona-Demonstrationen
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) berichtete über ihre Beobachtungen aus den vergangenen Wochen. Durch die Coronakrise bekamen antisemitische Verschwörungstheorien und Stereotype zunehmend Auftrieb. Vorurteile und Anfeindungen werden inzwischen nicht nur im Internet verbreitet, sondern sichtbar in der Öffentlichkeit verkündet, beispielsweise bei Anti-Corona-Demonstrationen.
Ziel der zivilgesellschaftlichen Meldestellen ist es, auch antisemitische Fälle zu erfassen, die unterhalb der Strafbarkeit liegen. Das soll einen besseren Einblick in das tatsächliche Ausmaß von Antisemitismus verschaffen. Dies dient auch der Entwicklung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen, wie Rias-Geschäftsführer Benjamin Steinitz erklärte.
Die Recherchestelle erfasste im Jahr 2019 insgesamt 1.253 antisemitische Vorfälle wie Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffe – in Berlin (881), Brandenburg (138), Bayern (178) und Schleswig-Holstein (56). Die jeweiligen Zahlen aus den vier Bundesländern waren schon bekannt. Die Recherchestelle geht vor einem sehr großen Dunkelfeld an nicht bekannt gewordenen Taten aus.
In Berlin ist Rias bereits länger aktiv und bekannt, deshalb gehen deutlich mehr Meldungen von Betroffenen ein als in den anderen Bundesländern, wo Meldestellen erst seit Kurzem aktiv sind. Die Zahlen der dokumentierten antisemitischen Vorfälle in verschiedenen Bundesländern hängen auch ab vom unterschiedlichen Arbeitsstand der genannten Meldestellen.
Gegenwärtig wird nach und nach ein deutschlandweites Netz aufgebaut.
Quelle:
Antisemitismus: Auftrieb für judenfeindliche Verschwörungstheorien (Zeit online)
Bericht dokumentierter antisemitischer Vorfälle 2019
Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus
Siehe auch:
Coronakrise: Warnung vor Antisemitismus in Verschwörungstheorien
Antisemitische Verschwörungstheorien im Aufschwung
P. S. Wenn sich Impfgegner auf Anti-Corona-Demonstrationen mit verfolgten Juden in der NS-Diktatur vergleichen und Ausgangsbeschränkungen als sozialen Holocaust bezeichnen, dann ist das nicht nur peinlich. Es zeigt auch, wie verdreht die Weltsicht dieser Leute ist. Und es verharmlost Holocaust und Judenverfolgung.