Der Beauftragte für Antisemitismus der Bundesregierung, Felix Klein, hat zum Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November 1938 die Bedeutung des Gedenkens an die damaligen Ereignisse unterstrichen.
An jenem Tag habe das ganze Land „moralisch versagt“, erklärte Klein am Montag im RBB-Inforadio. Und er stellte fest: „Wir haben Antisemitismus leider nicht überwunden.“
Die Reichspogromnacht sei damals auch durch „allgemeine Gleichgültigkeit oder auch Unterwürfigkeit gegen die Diskriminierung“ ermöglicht worden. Daraus müsse man auch in der Gegenwart die richtigen Schlüsse ziehen, verlangte Klein weiter. Er betont auch, dass es jetzt wichtig sei, anders mit Diskriminierung und Ausgrenzung umzugehen als die Menschen vor 82 Jahren.
Der Regierungsbeauftragte ermunterte Betroffene und Zeugen zur Meldung antisemitischer Vorfälle. Denn nur so könne sich etwas ändern: «Wir müssen das Problem sichtbar machen, um es auch als Gesellschaft zu überwinden.»
Den Antisemitismus bezeichnete Klein als „die älteste Verschwörungstheorie, die wir kennen“.
Dass Menschen jüdischen Glaubens verantwortlich gemacht werden für das Übel in der Welt, zeige sich auch gerade jetzt in der Pandemie. Unter den Corona-Leugnern seien oft auch Antisemiten.
Der Antisemitismus-Beauftragte kritisiert eine Verrohung der Gesellschaft, getrieben von den sozialen Medien. Positiv sei jedoch, dass Betroffene häufiger zur Polizei gingen. Das sei eine gute Entwicklung. Felix Klein weist aber auch auf die hohe Dunkelziffer bei antisemitischen Vorfällen hin.
Quelle:
Klein mahnt zu Gedenken an Pogromnacht von 1938 (Stern Magazin)
Weitere Infos zum Thema «Antisemitismus und Verschwörungstheorien»
Antisemitismus gründet tatsächlich auf sehr alten Verschwörungstheorien, die bis in die Gegenwart wirksam sind. Ein Beispiel dafür ist die Ritualmordlegende. Sie kommt in modifizierter Form in der QAnon-Verschwörungsideologie wieder zum Zug, wenn behauptet wird, liberale Eliten würden Kinder foltern, um daraus das angebliche Verjüngungsmittel Adrenochrom zu gewinnen.
Auch die Verschwörungstheorie von der jüdischen Brunnenvergiftung in Pestzeiten gehört zu diesen Wurzeln des Antisemitismus.
In modernerer Zeit sind die fiktiven «Protokolle der Weisen von Zion» eine zentrale Schrift des Antisemitismus.
Zur Reichspogromnacht hat Sven Felix Kellerhoff ein eindrückliches Buch geschrieben. Buchbesprechung hier:
„Ein ganz normales Pogrom“ von Sven Felix Kellerhoff
Siehe auch den ausführlichen Beitrag hier: