In Celle wurde ein Junge von einem 29-Jährigen tödlich verletzt. Dabei spielten möglicherweise rechtsextreme Verschwörungsideologien eine Rolle. Der Tatverdächtige wurde verhaftet.
Im niedersächsischen Celle ist ein 15-Jähriger mitten auf einer Straße mit einem Messer erstochen worden. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten, war der Junge mit dem Fahrrad in der Nähe des Bahnhofs unterwegs gewesen. Dabei griff ihn ein 29 Jahre alter Mann an. Das Opfer erlitt schwere Verletzungen und starb kurze Zeit später im Spital.
Nach Angaben der Ermittler hatten mehrere Zeugen gesehen, wie sich der mutmaßliche Täter kurz vor der Tat in einem Hauseingang aufhielt. Er habe dann „plötzlich und unvermittelt und mutmaßlich auch grundlos“ auf das Opfer eingestochen. Im Anschluss an die Tat hielten einige Zeugen den Mann fest und übergaben ihn der Polizei.
Der Angriff sei aus dem Nichts gekommen, die Hintergründe seien unklar, sagte die Polizeisprecherin.
Das Opfer ist ein jesidischer Kurde, der mit seiner Familie im Jahr 2014 aus dem Nordirak nach Celle geflüchtet ist. Nach Auffassung von Staatsanwaltschaft und Polizei war der Junge ein Zufallsopfer und wurde grundlos niedergestochen. Der mutmaßliche Tatverdächtige ist Deutscher.
Die Staatsanwaltschaft hat wie in solchen Fällen vorgesehen ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. Laut Aussagen der Polizei hatte der 29-Jährige bei seiner Festnahme verwirrt gewirkt.
Im Hinblick auf das Motiv werde in alle Richtungen ermittelt, sagte Oberstaatsanwalt Janßen.
Möglicher Zusammenhang mit rechtsextremen Verschwörungsideologien
Mehrere Gruppierungen, darunter Vereine der Jesiden, hatten der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sie rede einen möglichen rassistischen Hintergrund des Verbrechens mit dem Verweis auf eine mögliche psychische Erkrankung des Täters vorschnell klein. In der Erklärung werden Parallelen zum Attentäter von Hanau gezogen.
Die Erklärung wird auch unterstützt vom Netzwerk „Südheide gegen Rechtsextremismus“.
Nach Recherchen von „Zeit Online“ belegen unter anderem drei Social-Media-Accounts des 29-Jährigen Tatverdächtigen „eine Nähe zu rechtsextremen Verschwörungsideologien“:
„Doch ob der Flüchtling ein Zufallsopfer war, daran sind zumindest Zweifel erlaubt. ZEIT ONLINE stieß bei Recherchen zu Daniel S. auf drei Social-Media-Konten, die eine Nähe zu rechtsextremen Verschwörungsideologien belegen. Die Polizei bestätigte, dass es sich beim Inhaber der Accounts um den Verdächtigen handelt. Mehrere Neonazis und Rechtsradikale befinden sich unter den Onlinefreunden von Daniel S. Nicht alle seine Onlinebekanntschaften scheinen indes politisch begründet. Auch Kurden und Türken sind darunter.
Auf Facebook folgt S. Seiten mit Titeln wie ‚Die Verschwörungstheorie‘ und ‚Von wegen Verschwörungstheorie‘. Sie verbreiten Inhalte der seit 2017 im Internet kursierenden QAnon-Ideologie, auf die sich bereits der Attentäter von Hanau bezog. Die Seitenbetreiber behaupten, die deutsche Geschichte sei gefälscht, sie zitieren die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion und stellen den Holocaust infrage. Auch der antisemitische Attentäter von Halle bekannte sich in dem Video, das seine Tat zeigt, als ‚Anon‘.
Neben judenfeindlichen Mythen verbreiten die Seiten auch Reichsbürger-Statements, nach denen die Bundesrepublik eine GmbH sei und das Deutsche Reich weiter existiere. Auch eine Seite der Flacherde-Verschwörungstheorie ist darunter. Deren Anhänger glauben, die Erde sei eine Scheibe. Inhaltlich steht die Seite der Reichsbürger-Bewegung nahe und bezweifelt ebenfalls die Existenz der Bundesrepublik.“ (Quelle: Blog Störungsmelder Zeit Online)
Der Tatverdächtige sitzt wegen Verdacht auf Totschlag in U-Haft und schweigt zum Tatgeschehen und zum Motiv.
Quellen:
15-Jähriger auf Straße in Celle erstochen (Zeit Online)
Totschlag in Celle: Aus Hass erstochen? (Blog Störungsmelder Zeit Online)
Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Täter ein psychiatrisches Problem hat, ist das kein Grund zur Entwarnung bezüglich rechtsextremer Verschwörungsideologien. Wer systematisch Hass verbreitet nimmt in Kauf, dass psychisch angeschlagene Personen im Sinne solcher Verschwörungsideologien destabilisiert werden.
Und wenn der Täter tatsächlich Accounts mit rechtsextremen Verschwörungsideologien betrieben hat, dann ist zu mindestens sehr fraglich, ob der 15jährige Kurde wirklich nur ein Zufallsopfer war. Dann ist naheliegend, dass der Junge nach rassistischen Kriterien ausgewählt wurde.
Und natürlich wäre diese Tat bei jedem anderen Opfer genauso schlimm. Es sei aber hier doch daran erinnert, dass die Jesiden im Irak unvorstellbare Massenverbrechen durch Daesch (IS) erleiden mussten, die niemals vergessen werden sollten.